Schwestern by Martina MunseMartina Munse: Schwestern, 110 x 140 cm, Öl auf Leinwand

High Jump



Martina Munse


Vernissage: 25.10.2018, 19 Uhr


Exhibition: 26.10.-23.11.2018
Martina Munse – High Jump

Im Vorfeld der Ausstellung führte ich mit Martina Munse ein Gespräch über das Branding „Neue Leipziger Schule“, einem in Medien inflationär gebrauchten Begriff, der hier in Leipzig – gerade bei den MalerInnen - als ein absolutes No-Go gilt, weil sie zu Recht auf die Mannigfaltigkeit der Handschriften insistieren, die sich kaum in einem Sammelbegriff fassen lassen. Um so erstaunlicher, dass sich eine Malerin ganz unverhohlen mit der „Neuen Leipziger Schule“ identifizieren kann. Sie verweist dabei auf einen ganz bestimmten Ausbildungsstil, der die Generation der HGB-Malerei-Studenten der 90er Jahre prägte und direkt an die Ausbildung der vorangegangenen Rink/Gille-Generation anknüpft.
Diese Generation wiederum hatte das Lehrmodell von Werner Tübke übernommen. In der Praxis bedeutete es, dass im Grundstudium täglich acht Stunden „Figur im Raum“ gezeichnet wurde – ohne dass gestattet war, Farbe einzusetzen. Erst im Hauptstudium wurden die Studenten im Fach „Künstlerische Techniken“ in die Ölmalerei eingeführt.
Diese Art der Ausbildung forderte ganz fokussiert die gegenständliche Malerei und legte auch die Techniken Alter Meister nahe. „Mich hat damals insbesondere die Farbigkeit Tizians fasziniert. Ich wollte all die Gemälde unbedingt im Original studieren und machte meine erste Studienreise nach Italien. Aber so angezogen wie ich auch war von der Kontinuität, der Kunstgeschichte und der Kunst Tizians, es war auch immer der Drang präsent, zu Experimentieren und zu einem eigenen, zu einem zeitgenössischen Bild zu gelangen. Also musste ich noch viele weitere Male raus aus Leipzig, um das aktuelle Kunstgeschehen z.B. in Städten wie New York oder St. Petersburg zu erleben. Aber die technischen Einflüsse kommen vom Studium in Leipzig, Ich sehe mich als Teil der „Neuen Leipziger Schule“, weil ich in Deutschland ein wahrscheinlich einzigartiges Modell des Malereistudiums durchlebte – es manchmal auch hasste, vor allem „Figur im Raum“ bis an die Grenze des Erträglichen durchzuexerzieren, aber das hat uns die Möglichkeit gegeben, ein künstlerisches Fundament zu entwickeln und das verbindet uns.“
In einem kunsthistorischen Bewusstsein werden überlieferte Techniken von Martina Munse in einen neuen Bildzusammenhang gebracht und grafisch anmutende Figuren in leuchtende, flache Farbräume positioniert. Die grafischen Formen tauchen aber auch, losgelöst von der Figur als Bildelemente auf, die Räumlichkeit andeuten und den Bildraum strukturieren. Eine Verwandtschaft zur Kunst der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts ist unübersehbar – dabei werden häufig Art Nouveau und Surrealismus in den Zusammenhang mit der Malerei Martina Munses gestellt, aber Tonalität und Formgebung erinnern auch an das Bauhaus und vor allem an Oskar Schlemmer. Die zumeist weiblichen Figuren haben trotz ihrer betonten Körperlichkeit etwas Schwebendes und Entrücktes - als seien es Wesenheiten aus einer anderen Welt. Die Bilder sprechen eine Narrration an, die angedeutet, aber nicht ausformuliert wird.
Ein Äquivalent findet sich in der Darstellung innerer Organe, die akribisch gezeichnet sind, aber dennoch ästhetischen Prämissen folgen, so dass sie – jenseits ihrer Konnotation, ästhetisch erhöht werden – Martina Munse verweist in dem Zusammenhang auf die Zuordnung etwa der Niere zum Yin, oder der Leber zum Yang und berührt damit nicht nur den Symbolismus, sondern schafft darüber hinaus auch ein mystisches Upgrade der Signaturenlehre des 17. Jahrhunderts.
Lu Potemka
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